Rollstuhlbasketballerin aus Biberach fährt zu Olympia!

16.07.2021 Annabel Breuer ist eine deutsche Rollstuhlfechterin und Rollstuhlbasketballerin. Durch einen Autounfall in ihrer frühen Kindheit erlitt sie eine Querschnittslähmung, wodurch sie schon früh auf einen Rollstuhl angewiesen war.

Begonnen hat die außergewöhnliche Karriere in jungen Jahren als Rollstuhlfechterin. Zu Anfang trainierte sie noch bei der TG in Biberach, da die Wege nicht so weit waren und sie ursprünglich aus Biberach kommt. Über spätere Kontakte, die ihr ein Probetraining in Memmingen ermöglichten, gelangte sie zum Rollstuhlbasketball, wo sie letztendlich dann auch hängen blieb.

Seit dem Jahr 2009 spielt sie aktiv in der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft und seit dem Jahr 2013 in der Ersten Bundesliga bei RSV Lahn Dill.

Zu ihren größten Erfolgen im Rollstuhlfechten zählen die Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften in Turin im Jahr 2006 sowie Gold mit der Mannschaft bei den Europameisterschaften 2009 in Warschau. Auch ihre bisher erreichten Erfolge im Rollstuhlbasketball sind beachtlich. So gewann sie im Jahr 2010 Silber bei den Weltmeisterschaften in Birmingham. Darauf folgte 2011 Gold bei den Europameisterschaften und Gold bei den Sommer-Paralympics in London 2012. 2013 und 2014 gewann sie jeweils Silber bei den Europa- und Weltmeisterschaften sowie Silber bei den Sommer-Paralympics 2016 in Rio de Janeiro.

1.) Allgemeine Einstiegsfragen:

  1. Könntest Du mir kurz Deine sportliche Laufbahn schildern?

    Angefangen hat alles als Kind mit Rollstuhlfechten. Anfangs habe ich das Rollstuhlfechten noch in Biberach bei der TG trainieren und ausüben können, da die Wege kurz waren und ich ursprünglich aus Biberach komme.

    Über Kontakte in der „Rollstuhlszene“ wurde ich dann zu einem Probetraining für Rollstuhlbasketball nach Memmingen eingeladen. Das Training in der Mannschaft mit anderen hat mir sehr viel Spaß gemacht, was dazu geführt hat, dass mich das Rollstuhlbasketball bis heute nicht mehr losgelassen hat. Ab diesem Zeitpunkt habe ich begonnen, regelmäßig Rollstuhlbasketball zu spielen. Anfangs noch in Memmingen und Ravensburg, dann in Ulm, da ich in Biberach noch zur Schule gegangen bin und das somit die beste Möglichkeit war, Sport und Schule unter einen Hut zu bringen.

    Nachdem ich im Rollstuhlbasketball immer besser wurde und anfing, Titel zu gewinnen, wurde ich im Jahr 2009 zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen, worüber ich mich damals riesig gefreut habe und immer noch freue. Nachdem ich die Schule abgeschlossen hatte, bin ich im Jahr 2013 nach Gießen gezogen, um dort in der Ersten Bundesliga bei dem Verein RSV Lahn Dill zu spielen, bei dem ich bis heute noch unter Vertrag stehe und spiele.

     

  2. Wie bist Du zum Rollstuhlfechten gekommen?

    Als Kind habe ich auf einer Rollstuhlfreizeit teilgenommen, bei der zusätzlich zu mir auch viele weitere Kinder im Rollstuhl anwesend waren. Damals auf der Rollstuhlfreizeit wurden uns viele verschiedene Sportarten vorgestellt, die man als Rollstuhlfahrer ausüben kann. In diesem Zusammenhang wurde auch Rollstuhlfechten vorgestellt. Mir gefiel die Sportart sofort, was zur Folge hatte, dass ich einfach dabei geblieben bin.

    Später habe ich dann abwechselnd in Biberach und in Laupheim trainiert, um ein optimales Training zu bekommen. Meine Trainingspartner bestanden damals nicht nur aus Rollstuhlfahrern, sondern auch aus laufenden Fechterinnen und Fechtern. Diese haben sich dann einfach auf einen Stuhl gesetzt und mit mir trainiert. Da mein Rollstuhl beim Fechten am Boden festgemacht wurde und ich dadurch nur die Möglichkeit hatte, mich über meinen Oberkörper zu bewegen, war der Kampf gegen einen auf dem Stuhl sitzenden Fechtkameraden ein ideales Training für mich.

     

  3. Hättest du jemals gedacht, dass Du in beiden Sportarten so erfolgreich wirst, wie Du jetzt bist?

    Die Erfolge, die ich beim Rollstuhlfechten erzielt habe, an die kann ich mich zum Teil schon gar nicht mehr so genau erinnern, da ich bei diesen noch sehr jung gewesen war. Fechten war mein Hobby und der Ausgleich zur Schule, die Erfolge und Medaillen, die ich damals gewonnen habe, waren für mich eher nebensächlich.

    Als später dann der Sportartwechsel zum Rollstuhlbasketball kam und sich herausstellte, dass ich auch hier Potenzial habe, wurde aus dem anfänglichen Spaß schnell ernst. Heute macht mir das Rollstuhlbasketball natürlich immer noch sehr viel Spaß, dennoch ist es jetzt auch mit sehr viel Arbeit verbunden, um weiterhin auf diesem hohen Niveau spielen zu können.

     

  4. Ist der Basketballrollstuhl anders aufgebaut als ein normaler Rollstuhl?

    Grundsätzlich sind die größten Unterschiede zwischen einem „normalen Rollstuhl“ und einem Basketballrollstuhl die unterschiedliche Radstellung. Bei einem Basketballrollstuhl sind die Räder von oben schräg nach unten laufend, was zur Folge hat, dass man wendiger ist und der Rollstuhl nicht so einfach umkippen kann. Zusätzlich gibt es noch spezielle Fußraster für die Beine, dass diese fest angeschnallt sind und zugleich vor Blessuren im Spiel oder Training geschützt sind.

    Ein weiterer Unterschied ist die Möglichkeit, sich anzuschnallen. Dadurch wird das Risiko genommen, dass man während dem Spiel oder Training wegen einer unkontrollierten Bewegung aus dem Rollstuhl herausfallen kann. Es kann nur passieren, dass der Rollstuhl mit einem zusammen umfällt. Zusätzliche und stärkere Stahlverstrebungen machen den Basketballrollstuhl im Endeffekt einfach stabiler und robuster im Gegensatz zu einem normalen Rollstuhl.

    2.) Fragen außerhalb des Sports:

     

  5. Kannst Du Dir durch den Sport deinen Lebensunterhalt finanzieren und wenn ja, wie?

    Ja, ich kann mir durch den Sport meinen Lebensunterhalt finanzieren und dafür bin ich sehr dankbar, da das nicht für jede Frau im Rollstuhlbasketball möglich ist. Dadurch, dass ich in einem Verein spiele, der in der Ersten Bundesliga aktiv ist, bekomme ich hierdurch mein Geld vom Verein und zusätzlich noch über die Nationalmannschaft. Somit kann ich mittlerweile gut von meinem Sport leben.

     

  6. Du studierst Psychologie auf Master, warum Psychologie und hat dir das Studium für Deine sportliche Laufbahn schon einmal etwas gebracht?

    Psychologie war schon immer etwas, was mich sehr interessiert hat und deshalb wollte ich es einfach mal versuchen. Bevor ich damit begonnen habe, Psychologie zu studieren, habe ich Bewegung- und Sport studiert, weil ich mir neben dem Sport ein so aufwendiges Studium anfangs nicht zugetraut habe. Letztendlich habe ich es dann aber doch noch angefangen und bereue es bis heute auch nicht.

    Da ich den Sport, so wie ich ihn momentan ausübe, nicht mein ganzes Leben machen kann und will, war es mir schon von Anfang an wichtig, ein zweites Standbein neben dem Sport aufzubauen, mit dem ich auch nach meiner aktiven Sportkarriere meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Das Studium ist für mich auch eine Art Ausgleich zum Sport. Das eine gleicht das andere aus. Wenn es im Sport mal nicht so gut läuft, bin ich froh, dass ich mein Studium habe und wenn es im Studium mal nicht so gut läuft, bin ich froh, das ich meinen Sport habe.

     

  7. Wirst Du oft erkannt, wenn du auf der Straße unterwegs bist?

    In Gießen werde ich mittlerweile oft erkannt, da der Verein dort sehr groß und bekannt ist. In Biberach wiederum werde ich nicht so oft erkannt, hin und wieder schon, jedoch deutlich weniger wie in Gießen, da ich hier auch durch den Rollstuhlsport nicht so bekannt bin wie in Gießen.

     

  8. Gab es schon Situationen und Momente, wo Du Dich und den Sport komplett hinterfragt hast und eventuell auch kurz davor warst hinzuschmeißen?

    Diese Situation gibt es des Öfteren. Wenn es z.B. ein paar Probleme in der Mannschaft gibt, eine Auseinandersetzung mit dem Trainer gab oder man selbst mit seiner eigenen Leistung in der aktuellen Spielzeit einfach nicht zufrieden ist. Ich persönlich nehme das auch sehr viel mit nach Hause, da ich das meist deutlich emotionaler wahrnehme, wie das in manch anderen Berufen eventuell der Fall wäre.

    Aus diesen Gründen kommt es daher des Öfteren vor, dass man sich selbst hinterfragt, wieso man das überhaupt macht und ob es nichts anderes gibt, was man stattdessen machen könnte. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele sehr schöne Momente, die die schlechten Momente überwiegen und in denen man ganz genau weiß, wieso man diesen Sport und Beruf ausübt und liebt.

    3.) Fragen zur aktuellen Corona-Pandemie:

     

  9. Wie hat Dich persönlich die Corona-Pandemie beeinflusst? War es Dir möglich während der Zeit weiterhin zu trainieren / zu spielen?

    Persönlich am meisten beeinflusst hat mich die Absage der Paralympics im Jahr 2020. Es ist ja nicht so, dass man ein halbes Jahr davor anfängt zu trainieren und dann zu den Spielen fährt. Das gesamte Leben wird auf das eine Event hin ausgerichtet. In meinem Fall war es zum Beispiel auch so, dass ich extra weniger Kurse an der Uni belegt habe, um dem höheren Trainingsaufwand gerecht werden zu können.

    Ein zusätzliches Problem war natürlich auch, dass die Liga (Erste Rollstuhlbasketballliga) vorerst pausiert hatte und zu diesem Zeitpunkt auch noch unklar war, ob überhaupt weitergespielt werden durfte. Zum Glück jedoch konnten wir kurz darauf wieder mit dem Trainings- und Spielbetrieb in der Liga beginnen, da wir zum Profisport zählen. Wäre die Liga nicht fortgesetzt worden, hätte das fatale Auswirkungen im finanziellen sowie spielerischen Bereich gehabt und nicht nur auf uns Spieler, sondern auf den gesamten Verein und somit auch den Sport.

     

  10. Was fehlt Dir durch die Pandemie am Meisten?

    Das Treffen mit den Freunden, den Weg in die Uni oder einfach nur rauszugehen, das hat mir während der Pandemie am meisten gefehlt. Wir Profisportler waren in der gesamten Zeit der Pandemie eigentlich noch gut dran, da wir zum Training gehen konnten und Spielen durften. Beim Training sowie Spiel bin ich wenigstens von zu Hause raus gekommen und konnte andere Menschen sehen und mich durch den Sport ablenken.

4.) Fragen bezogen auf Olympia:

 

  1. Was bedeutet Olympia für Dich persönlich?

    Die Olympischen Spiele sind die größte sportliche Wettkampfveranstaltung auf der Welt und aus diesem Grund freue ich mich schon riesig auf diese Paralympischen Spiele, auch wenn sie um ein Jahr verzögert beginnen.

    Ich blicke auf die Spiele jedoch mit einem lachenden und einem weinenden Auge, weil die Spiele in diesem Jahr wahrscheinlich nicht so schön und unbeschwert sein werden wie die letzten Paralympischen Spiele, auf denen ich dabei war. In diesem Jahr werden die Spiele in erster Linie ohne Zuschauer stattfinden, es werden sehr strikte Regelungen bezogen auf Corona im paralympischen Dorf herrschen und die Stimmung wird zum Teil wahrscheinlich sehr angespannt sein.

    Ein zusätzliches Problem, dass aus den ganzen Regelungen und Vorschriften resultiert ist, dass einige Nationen den Paralympischen Spielen abgesagt haben, weil sie diesen Organisationsaufwand nicht mitmachen möchten.

     

  2. Was war das für ein Gefühl, als Du zum ersten mal für die Olympischen Spiele nominiert wurdest?

    Als ich zum ersten Mal 2012 für die Paralympischen Spiele in London nominiert wurde, war das alles sehr aufregend für mich, da ich dort auch noch so jung war und vieles einfach noch nicht so verstehen und begreifen konnte.

    Das schönste Gefühl für mich persönliche war aber der Tag der Eröffnungsfeier, als man in das Stadion eingelaufen ist und das ganze Stadion voller Menschen war, die einem zugejubelt haben, obwohl sie einen vielleicht auch gar nicht gekannt haben.

     

  3. Wie verstehst Du Dich mit deinen Mannschaftskammeradinnen und wie ist der Teamgeist?

    In meinem normalen Bundesligaverein sind Männer und Frauen gemischt, im Gegensatz zu der Nationalmannschaft, wo wir nur Frauen sind. Mit Frauen gibt es tendenzielle mehr Stress und es wird vielmehr besprochen und reflektiert als bei den Männern. Das ist etwas anstrengender, weil man zum Teil in Trainingslagern, aber auch 24 Stunden am Tag aufeinandersitzt und nicht wie im Verein ins Training geht, für zwei Stunden am Tag trainiert und danach wieder nach Hause fährt. Dennoch verstehen wir uns im Team alle super, wir mögen uns alle, die Verbindung kann man zum Teil mit Geschwistern vergleichen.

    Das gemeinsame Ziel, die Olympischen Spiele zu gewinnen, hilft dabei natürlich auch.

     

  4. Wie bereitet ihr Euch auf die Olympischen Spiele vor?

    Um optimal auf die Spiele vorbereitet zu sein, haben wir verschiedenste Trainingseinheiten und Trainingslager. Meistens sind die Trainingslager über die Wochenenden, da hier fast immer alle Spielerinnen Zeit haben. Da alle Spielerinnen aus ganz Deutschland kommen, ist es oft schwierig, Trainingscamps über mehrere Wochen hinweg zu organisieren, deshalb werden sogenannte Trainingsgruppen gebildet mit den Spielerinnen, die nah beieinander leben, auch unter der Woche zusammen trainieren können. Zusätzlich hierzu gibt es ein 10-tägiges Trainingslager auf Lanzarote sowie Testspiele und Testturniere z.B. in den Niederlanden vor den Spielen.

    Zwei Wochen vor dem eigentlichen Beginn der Paralympischen Spiele fliegen wir schon nach Tokyo, um uns dort noch einmal mit einem Trainingslager und Trainingsspielen komplett auf Olympia einzustimmen. Anschließend starten wir hoffentlich erfolgreich in die Paralympischen Spiele.